Die Liste der einfachen Fragen
Textsorte: Traum, Blitz | re:load | Textsorte: Bekenntnis, Memo | können. steine. denken. | woran ich glaube? | Ein sechster Anfang: Das Psycho-Bio-Soziale Menschenbild, Donnerstag, 19.07.18 ;-)
(Work in Progress)
Die Liste der einfachen Fragen
- Wo war ich, bevor ich da war?
- Wo werde ich sein, wenn ich nicht mehr da bin?
- …
Was sind einfache Fragen?
Von Heinz von Förster habe ich folgende Unterscheidung gelernt:
beantwortbare und unbeantwortbare Fragen.
Eine beantwortbare Frage trägt ihre Antwort in sich mit. Die Antwort wird dir darüber Auskunft geben, ob der gefragte fähig ist, die Frage korrekt zu beantworten. Du erfährst etwas über den Bildungsstand, die Kultur, die Sozialisation deines gegenübers.
Ein Beispiel: Wenn du jemand fragst, ob die Person dir die Zahl 7 notieren könne und diese unirritert 0111 auf ein Blatt kritzelt, erkennst du unschwer, dass die Person nicht im Dezimalsystem, sondern im Dualsystem sozialisiert ist. Die Frage ist somit nicht falsch beantwortet. Bloss anders, als du es erwartet hast.
Ein anderes Bespiel: Wenn du fragst, wie hoch der Eiffelturm sei und die Antwort kommt: 164,6 Meter, dann wirst du darauf hinweisen, dass die Antwort zwar korrekt sei, aber du eigentlich den Eiffelturm zu Paris und nicht die Kopie in Las Vegas gemeint hast.
Will sagen: Beantwortbare Fragen sind jene Fragen, welche in einem Lexikon, in einer Enzyklopädie, bei Wikipedia beantwortet werden, oder werden könnten.
Dabei fällt der Antwortbereich alltagspraktisch mit dem Begriff vom “freien Wissen” zusammen. Die Antworten auf “beantworbare Fragen” können zwar auch geheim oder unbekannt oder unklar, sein und trotzdem zur Kategorie “beantwortbar” gehören. Zum Beispiel: Wenn die Frage nach dem Rezept des Appenzeller Käses nicht beantwortet werden kann, ist sie dennoch eine “prinzipiell beantwortbare Frage”, weil irgendwer, irgendwas — ein Dokument, ein Patent, ein Vertrag — die Antwort kennt. Aber wir sind offensichtlich in ein anderes Fragefeld gerutscht. Oder: Wieviele Nüsschen sind in diesem Fass? Niemand weiss es. Niemand wird es auszählen. Aber grundsätzlich wäre es beantwortbare. Wir sagen dann: ungefähr 100'000. Und allen wird das genau genug sein. Es ist eine Schätzung. Und immer so weiter. Anders verhält es sich mit den unbeantwortbaren Fragen.
Lustiger hat es Donald Rumsfeld beantwortet und Kathrin Passig und Aleks Scholz haben ihn in ihrem “Lexion des Unwissens” vorangestellt. („[T]here are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns — there are things we do not know we don’t know.“)
Mit Heinz von Förster, will ich aber ein fünftes Feld einfügen und alle vier “Rums-Felder” den “beantwortbaren Fragen” zugeordnet wissen:
- bekannt bekanntes Wissen
- bekannt unbekanntes Wissen
- unbekannt bekanntes Wissen
- unbekannt unbekannt Wissen
- prinzipiell unbekanntes Wissen
Es kann schon sein, dass jemand weiss, wo ich sein werde, wenn mein Körper verbrannt oder in die Erde gelegt und zugeschüttet wurde. Bloss: Ich glaube es nicht. Nicht, weil ich der Person misstraue.
Ich weiss, dass ich nicht weiss. Einer der ältesten Sätze, welche seit hunderten von Jahren von Generation zu Generation weiter gegeben und immer wieder neu nachvollzogen und begründet, wird. Heute würden wir vielleicht das “Psycho-Bio-Soziale Menschenbild” aufrufen und von autopoietischen Systemen reden. Davon erzählen, dass wir über jeden einzelnen menschlichen Sinn wissen, wie dieser begrenzt ist. Von Tieren wissen, dass sie mehr sehen und riechen können als Menschen. Wir verzwickte Instrumente haben, welche mehr können, als Menschen können und die Konsequenz aus den Überlegungen von Kopernikus ziehen: So wie wir Menschen es sinnlich für Wahr nehmen, so ist es ganz sicher nicht. Und immer so weiter…
Witzigerweise stellen Kinder mit ziemlicher Genauigkeit solche “einfachen Fragen”. Gesellschaftlich interessant ist zu beobachten, wie mit solchen Fragen umgegangen wird.
In dieser Logik würde ich “einfache Fragen” mit den “unbeantwortbaren Fragen” identifizieren wollen. Die “schwierigen Fragen” wären dann also die “beantwortbaren Fragen”.
Von Augustinus habe ich gelernt, dass es drei Arten von Fragen gäbe:
- ob etwas sei
- was es sei
- wie es beschaffen sei
Anlass zu diesem Eintrag
Ich hänge ja noch immer an #SozialarbeitMR und der Überarbeitung der zweiten Vorlesung: Über das Verschwinden des Körpers und versuche diesen zu überarbeiten im Eintrag: “Das Psycho-Bio-Soziale Menschenbild”.
Stefan M. Seydel/sms ;-)
(*1965), M.A., Studium der Sozialen Arbeit in St. Gallen und Berlin. Unternehmer, Autor, Künstler.
Ausstellungen und Performances in der Royal Academy of Arts in London (Frieze/Swiss Cultural Fund UK), im Deutsches Historisches Museum Berlin (Kuration Bazon Brock), in der Crypta Cabaret Voltaire Zürich (Kuration Philipp Meier) uam. Gewinner Migros Jubilée Award, Kategorie Wissensvermittlung. Diverse Ehrungen mit rocketboom.com durch Webby Award (2006–2009). Jury-Mitglied “Next Idea” Prix Ars Electronica 2010. Bis 2010 Macher von rebell.tv. Co-Autor von “Die Form der Unruhe“, Umgang mit Information auf der Höhe der Zeit, Band 1 und 2, Junius Verlag Hamburg. Mitglied im P.E.N.-Club Liechtenstein. Er war drei Jahre Mitglied der Schulleitung Gymnasium Kloster Disentis. Seit Sommer 2014 lebt und arbeitet er in Zürich: #dfdu.org AG, Konstellatorische Kommunikation. (Entwicklung von Pilot und Impulsprojekten, gegründet 1997 mit Tina Piazzi)